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An der Klosterpforte: Seine Arbeit als Pförtner und seine zusätzlichen Aufgaben machen Marco Studer viel Freude.
An der Klosterpforte: Seine Arbeit als Pförtner und seine zusätzlichen Aufgaben machen Marco Studer viel Freude.

Leben im Kloster (15) – Marco Studer ist Pförtner des Kapuzinerklosters Wil. Er gehörte während 25 Jahren zum Kapuzinerorden, bis er im Jahr 2000 austrat. Trotzdem ist er mit der Kapuzinergemeinschaft stark verbunden.

Beatrice Oesch

Wenn man an Werktagen an der Pforte des Kapuzinerklosters läutet, öffnet meistens Marco Studer die Tür, gibt Auskünfte, nimmt Gebetsanliegen entgegen, verkauft Trauerkarten oder sorgt für eine Vermittlung zu einem Kapuziner. Doch er hat noch viele weitere Aufgaben: „Bei Lebensmitteln und Getränken bin ich für den Einkauf zuständig, sorge für den Unterhalt innerhalb der Klostermauern, begleite die Brüder zu Terminen und helfe nachmittags bei ihrer Pflege mit“, umreisst er seine abwechslungsreiche Arbeit, die er seit rund elf Jahren verrichtet. Für das Gespräch mit der Wiler Zeitung hat er einen sonnigen Sitzplatz im blühenden Klostergarten gewählt, und während er leise erzählt, wandern seine Blicke immer wieder über die alten Platanen. Marco Studer war 25 Jahre lang Kapuziner und Priester, wirkte unter anderem zehn Jahre als als Stellvertreter des Guardians hier in Wil, erteilte Religionsunterricht und hielt Aushilfsgottesdienste. „Irgendwann steckte ich in einer so grossen Sinnkrise, dass ich krank wurde, und mein bisheriges Leben in der Kapuzinergemeinschaft so für mich nicht mehr stimmte.“

Kein vollständiger Bruch
Schon als Kind wollte Marco Studer Kapuziner werden, und seine Gymnasiastenzeit in Appenzell und später das Theologiestudium brachten ihn zu seinem Ziel. „Ausserdem habe ich zwei Jahre Jus studiert, war auch politisch interessiert, und während meiner Studienzeit verbrachte ich drei Monate als Schweizergardist in Rom – eine strenge aber grossartige Zeit“, erinnert er sich, und beschreibt dann, wie sein Umfeld auf seinen Austritt aus dem Kapuzinerorden im Jahr 2000 reagierte: „Der Regionalobere der Deutschschweizer Kapuziner kam für die Bekanntmachung nach Wil, und es war sehr schmerzlich nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitbrüder hier. Ich wünschte keinen vollständigen Bruch, sondern hatte das Anliegen, weiter hier zu arbeiten, doch ausserhalb des Klosters zu wohnen.“ Dann fängt er an zu lächeln, während er fortfährt: „Doch es kam ganz anders, als ich befürchtet hatte, denn meine ehemaligen Mitbrüder setzten sich dafür ein, dass ich weiter hier arbeiten konnte – natürlich nun in anderen Aufgaben – und das war für mich ein wunderschönes Zeichen, dass sie mich so nehmen, wie ich bin.“

Als Mensch voll akzeptiert
Natürlich war sein neues Leben vor allem am Anfang sehr schwierig für Marco Studer: „Viele Leute kannten mich als Kapuziner und Priester, und ich musste mich immer wieder erklären, doch mir half mein gutes soziales Umfeld und Freundesnetz und ausserdem der regelmässigen Kontakt mit meiner Schwester, und mittlerweile geht es mir wieder gut.“ In seiner Freizeit geht er vielen Interessen nach. „Mir ist nie langweilig“, meint er verschmitzt, und erwähnt seine Liebe zu Papier, Briefe schreiben mit Füllfederhalter, Basteln von Karten und Lesen von Zeitungen und Zeitschriften, die er dem Computer vorzieht. „Ausserdem bin ich Fussballfan, und ich sammle Miniaturen von Autos und Eisenbahnen“, fährt er fort. Seiner Zukunft sieht er heute gelassen entgegen. „Ich nehme es einfach, wie es kommt. Meine Arbeit hier im Kloster macht mir viel Freude, und ich bin glücklich, dass ich als Mensch voll akzeptiert werde.“