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von Ursula Ammann, Bericht aus der Wiler Zeitung

Bruder Otbert Thoma war erst 19jährig als er in den Orden eintrat. Heute – 80 ereignisreiche Jahre später – gilt er als ältester Kapuziner der Schweiz. Seinen Lebensabend verbringt er in Wil, wo er oft im Klostergarten spazieren geht.

Wil. Gemächlich schreitet Bruder Otbert Thoma hinaus ins Grüne. Die Hände am Rollator, die Füsse in karierten Woll-Pantoffeln. Um die Hüften baumelt der Strick seiner Kapuzinerkutte. «Es bedeutet mir viel, dieses Gewand zu tragen», sagt der 99-Jährige. Seit 80 Jahren gehört das Kleidungsstück für ihn zum Alltag. Solange nämlich ist Bruder Otbert schon Mitglied im Orden. Er ist der älteste Kapuziner der Schweiz.

«Schmerzloser» Übertritt

Dass er einmal ins Kloster gehen würde, war für Otbert Thoma so klar wie das Amen in der Kirche. Als Jugendlicher besuchte er das Gymnasium der Kapuziner in Appenzell. Dort habe er Freude am Leben dieser Ordensgemeinschaft bekommen, berichtet er. Der Übertritt sei ganz «schmerzlos» über die Bühne gegangen.

Ein schelmisches Schmunzeln huscht ihm übers Gesicht, als er sich an sein Noviziat in Solothurn zurück erinnert. Mit dem Novizmeister hatte er das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Oft habe ihn dieser einen «Gassenjungen» genannt. «Einmal hielt er mir sogar den Schlüssel zu jenem Raum hin, in dem unsere privaten Kleider lagen und sagte mir, ich könne diese holen gehen», erzählt Bruder Otbert. «Ich habe den Schlüssel nicht genommen und bin geblieben.»

Monarchin im Stift

Aufgewachsen ist Otbert Thoma in Bischofszell. Seine Mutter – eine sehr gläubige Frau – gebar insgesamt elf Kinder. Drei davon seien aber in den ersten Jahren gestorben, erzählt Bruder Otbert. Unter den Geschwistern war er der einzige, der eine klösterliche Laufbahn eingeschlagen hat. Wobei, er habe noch einen Cousin gehabt, der zu den Benediktinern gegangen sei.

Als Kapuziner, der dem Wechsel verpflichtet ist, blieb Bruder Otbert Thoma nie an ein und dem selben Ort. Zu seinen Stationen zählten Olten, St. Gallen, Zürich, Dornach bei Basel, Zizers und Mastrils. Unter anderem war er in der Hausmission tätig. Das brachte auch bittere Momente, Momente der Ablehnung mit sich. Einmal habe ihm ein Junge an der Wohnungstür vom Vater ausrichten lassen, dass dieser nichts mehr von der Kirche wissen wolle. Er habe in seiner Kindheit vom Pfarrer einmal eine Ohrfeige erhalten, erzählt Bruder Otbert

Schöne Erinnerungen hat er an seine Zeit im Bündnerland, wo er als Pfarrer arbeitete. Im St. Johannes-Stift in Zizers traf er ab und zu auf die österreichischen Kaiserin Zita von Bourbon-Parma, die dort im Exil lebte. Diese zeigte im Umgang mit dem Kapuziner offenbar keine monarchischen Attitüden. Zumindest schlug sie ihm einen kleinen Gefallen nicht aus. «Einmal habe ich der Kaiserin einen Brief mitgegeben und sie gebeten, diesen bei der Post einzuwerfen», erzählt Bruder Otbert Thoma.

Autounfall brachte eine Wende

Das Bündnerland zeigte sich Bruder Otbert aber auch von seiner rauhen Seite. Eines Tages erlitt er in den steilen Kurven einen Autounfall. «Es überschlug mich zwei, drei Mal, aber ich konnte aussteigen, als wäre nichts geschehen», erzählt er. Sogar einen Berg sei er noch hoch gelaufen, um Hilfe zu holen. Erst später stellte sich heraus, dass er eine Hirnblutung davon getragen hatte. Diese liess sich zwar operieren, aber der Unfall brachte dennoch eine Wende: Den Umzug ins Kapuzinerkloster Wil. Seit 1991 lebt Bruder Otbert nun dort. Zu seinen Aufgaben gehörte es stets auch, die Goldfische im Teich zu füttern.

Spaziergänge im Klostergarten

Mit dem Schreiben von Predigten konnte sich Bruder Otbert nie wirklich anfreunden. Dafür hat er immer gerne gebetet und gesungen. Schon im Gymnasium. Später wirkte er als Bass im Kirchenchor und im Männerchor mit. Eine Kehlkopf-Operation raubte Bruder Otbert vor 20 Jahren die Stimme. Beim Sprechen ist er auf ein Gerät angewiesen. Auch das Essen fällt ihm schwer.

Generell fühle er sich aber «ziemlich gesund», sagt der 99-Jährige, lacht und ballt die rechte Hand kämpferisch zur Faust. Zwar ist er auf die Hilfe von Spitex-Pflegerinnen angewiesen. Zum Gebet und zum Essen erscheint er aber immer selbständig. Zudem unternimmt er täglich Spaziergänge im Klostergarten.

Dennoch habe er oft Heimweh nach dem Jenseits, erklärt Bruder Otbert Thoma. Auf die Frage ob er denn nicht stolz sei darauf, 99 Jahre und drei Monate alt geworden zu sein, antwortet er: «Damit habe ich nichts zu tun. Es ist eine höhere Macht, die mir jeden Tag von neuem schenkt.»


Am Sonntag, 3. Juli, feiert das Kapuzinerkloster Wil um 10.30 Uhr folgende Ordens- und Priesterjubilare: Bruder Otbert (80 Jahre im Orden), Bruder Hesso Hösli (60 Jahre Priester ), Bruder John Gualbert (50 Jahre Priester), Bruder Karl Bauer (40 Jahre im Orden) und Bruder Paul Mathis (25 Jahre im Orden). Die Festpredigt wird Br. Peter Keller (Bürger von Oberbüren) halten, der als Leiter eines Exerzitienhauses in Dar es Saalam in der Mission in Tanzania ist und genau am 3. Juli auch 50 Jahre Priester ist.

Jubiläum 3Br. Paul Mathis, Br. Karl Bauer, Br. John Gualbert Menezes
Br. Otbert Thoma

 

Br. Otbert Thoma (Foto: Ursula Ammann)
Br. Otbert Thoma (Foto: Ursula Ammann)